Seit Einführung der ersten Intraoralscanner für die digitale Abdrucknahme, auf deren Grundlage auch mehrgliedrige Versorgungen realisierbar sind, hat sich einiges weiterentwickelt: Die Anzahl der freigegebenen Indikationen steigt stetig und die Schnittstellen zur Konstruktionssoftware anderer Hersteller werden nach und nach geöffnet. Somit lassen sich die Datensätze des digitalen Abdrucks inzwischen vollständig und fehlerfrei importieren sowie weiterbearbeiten. Wichtig ist nun, dass auch das zahntechnische Labor auf den Empfang der Daten eingerichtet ist und die dreidimensionalen virtuellen Modelle optimal im Workflow eingesetzt werden können. Denn während bisher noch vornehmlich konventionelle Abdrücke genommen werden, gibt es viele Gründe für die Annahme, dass sich die digitale Technik in Zukunft durchsetzen wird: Zu ihren Vorteilen gehört u. a., dass das Verfahren durch Patienten als angenehmer empfunden wird und selbst in Situationen, in denen die konventionelle Technik an ihre Grenzen stößt, zu präzisen Ergebnissen führt. Als Beispiel sind Patienten zu nennen, die einen stark ausgeprägten Würgereflex haben. Für sie ist der Prozess der Abformung mit Löffel und Material in der Regel äußerst unangenehm und häufig sind mehrere Wiederholungen erforderlich, um einen verwendbaren Abdruck zu erhalten. Inwiefern die digitale Abdrucknahme bei diesen Patienten besser geeignet ist, wird anhand des folgenden Patientenfalls beschrieben.
Patientenfall
Die Patientin, 75 Jahre alt, war im Frontzahnbereich des Oberkiefers mit einem Langzeitprovisorium aus Kunststoff und im Seitenzahnbereich mit mehreren VMK-Kronen versorgt (Abb. I). Für den Unterkiefer war bereits einige Jahre zuvor eine teleskopgetragenen Prothese angefertigt worden, die nicht erneuerungsbedürftig war. Die Patientin stimmte dem Vorschlag des Zahnarztes zu, nicht nur das Provisorium im ‚Frontzahnbereich durch eine definitive Versorgung zu ersetzen, sondern auch die insuffizienten Restaurationen der Zähne 15 und 16 sowie 25 und 27 zu erneuern. Zahn 14 wurde als nicht erhaltungswürdig bewertet und extrahiert, während in regio 24 bereits eine Lücke vorhanden war. Um die neu entstandene und die bestehende Lücke zu schließen, wurden neben vier Einzelkronen für die Zähne 12, 1,21 und 22 eine vier und eine fünfgliedrige Brücke für regio 13 bis 17 beziehungsweise 23 bis 26 geplant. Aufgrund der stark verfärbten Stümpfe 12 bis 23 fiel die Wahl auch im Frontzahnbereich auf Restaurationen aus Zirkoniumdioxid.
Zunächst führte der Zahnarzt die Abdrucknahme im konventionellen Verfahren durch. Da die Patientin jedoch einen sehr stark ausgeprägten Würgereiz hatte, war es unmöglich, die intraorale Situation mit dieser Technik präzise auf das Modell zu übertragen. Ein zweiter Versuch wurde gestartet, wieder mit unbefriedigendem Ergebnis. Diesmal sendete der Zahnarzt den Abdruck zwar an das Labor, bei der Herstellung des Gipsmodells wurde jedoch schnell deutlich, dass dieses keine verwendbare Arbeitsgrundlage für die Konstruktion der Versorgungen darstellen konnte (Abb. 2).
Vorbereitungen für die digitale Abformung
Nach Rücksprache mit dem Zahnarzt wurde entschieden, die Abformung mit dem Intraoralscanner iTero van Cadent (US-San Jose) zu wiederholen. Dieses Verfahren erhöht laut Hersteller und nach eigenen Erfahrungen den Patientenkomfort, da die Wahrscheinlichkeit, mit dem Handstück des Gerätes einen Würgereiz auszulösen, deutlich geringer ist als bei der konventionellen Vorgehensweise. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Abformprozess jederzeit — z. B. wenn ein Patient sich unwohl fühlt — unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder fortgesetzt werden kann. Bei der Präparation im Vorfeld der digitalen Abdrucknahme gilt es, die für vollkeramische Restaurationen geltenden Richtlinien zu beachten, da durch diese auch eine exakte Digitalisierung sichergestellt wird. Die Vermeidung von Unterschnitten und die Schaffung einer sauber ausgearbeiteten Präparationsgrenze sind beispielsweise sowohl für die exakte Aufnahme mit dem Intraoralscanner als auch für die Herstellung einer passgenauen Restauration mittels CAD/CAM-Technologie von Bedeutung. Für die Digitalisierung im Mund ist das Gingivamanagement zudem genauso wichtig wie für die konventionelle Abformung: Das optische System erfasst ausschließlich die Bereiche, die mit dem Auge ebenfalls erkennbar sind. Das Prinzip der parallel-konfokalen Bildgebung ermöglicht dank seiner hohen Schärfentiefe zwar die exakte Aufnahme auch tiefliegender Bereiche, diese müssen jedoch vollständig freigelegt sein.
Optischer Abdruck
Im vorliegenden Fall wurde eine Einweghülse auf das optische System im Handstück gesetzt und zunächst der Unterkiefer der Patientin gescannt, um sie mit dem Verfahren vertraut zu machen. Probleme traten dabei nicht auf, sodass der optischen Abformung der präparierten Zähne nichts im Wege stand. Zur Sicherung der Bisslage wurden im ersten Schritt lediglich die Versorgungen im I. Quadranten entfernt, die Zähne präpariert, die Präparationsgrenzen mittels Doppelfadentechnik freigelegt und die Situation anschließend mit dem Intraoralscanner aufgenommen. Während das Handstück im Mund über die Zähne geführt und mit einem Fußpedal die Aufnahmen ausgelöst werden, erscheint auf dem Bildschirm der Arbeitsstation des Cadent iTero in Echtzeit ein virtuelles Modell der gescannten Situation. Dabei kann das Handstück auch auf die Zähne gelegt werden – die puderfreie Technik lässt dies zu. Durch den Scanprozess geleitet wird der Anwender u. a. durch audio- visuelle Signale, die ihm beispielsweise anzeigen, welche Bereiche noch zu scannen sind. Nach Aufnahme des I. Quadranten erfolgte die Bissregistrierung durch Scannen der Zahnreihen in Okklusion. Nachfolgend wurden Provisorium und Kronen im 2. Quadranten entfernt, die Zähne präpartiert und nach der für den I. Quadranten beschriebenen Vorgehensweise für den Scan vorbereitet. Nach der Digitalisierung dieser Zähne wurde im |. Quadranten das Provisorium wieder eingesetzt und ebenfalls eine digitale Bissregistrierung durchgeführt.
Kontrolle der Aufnahmen
Im Anschluss an den Scanvorgang wurde das aus Einzelbildern generierte dreidimensionale Modell direkt am Bildschirm überprüft. Dabei wurde es nicht nur untersucht, um mögliche Datenlücken aufzuspüren und die Qualität der Präparation zu beurteilen: Dank eines patentierten Tools lassen sich auch die okklusalen Abstände messen, um zu prüfen, ob ausreichend Platz für die geplanten Restaurationen (Mindestwandstärke des Gerüstes plus Schichtdicke der Verblendung) vorhanden ist. Falls zu wenig Platz verfügbar ist oder Fehler an der Präparation bzw. der Aufnahme festgestellt werden, kann nachpräpariert und nachgescannt werden. Dieses Vorgehen nimmt deutlich weniger Zeit in Anspruch als die Wiederholung eines konventionellen Abdrucks, da lediglich Teilbereiche neu aufgenommen werden müssen. Die neuen Daten werden ein- fach durch Neuberechnung in das bestehende Modell eingefügt.
Datenaufbereitung und Modellherstellung
Der vollständige Datensatz wurde anschließend online an Cadent übermittelt, wo die hochauflösenden Scandaten erneut überprüft wurden. Zudem erfolgt dort stets eine Aufbereitung der Daten inklusive Entfernung von eventuellen Artefakten und überflüssigen Bildinformationen. Auch die Präparationsgrenzen werden direkt eingezeichnet. Der bearbeitete Datensatz wird von Cadent automatisch auf einem Sicherheitsserver gespeichert, sodass im Not- fall jederzeit eine Kopie des Abdrucks verfügbar ist. Anschließend werden die Daten an das Partnerlabor gesendet, wo sie in der zugehörigen Laborsoftware geöffnet und bearbeitet werden können. Im vorliegenden Fall wurden die eingezeichneten Präparationsgrenzen überprüft und leicht modifiziert (Abb. 3). Im Fertigungszentrum des Unternehmens Straumann (CH-Basel) in Leipzig wurde nachfolgend ein Modell mit herausnehmbaren Stümpfen bestellt.
Dieses wurde mittels Frästechnik aus Polyurethan hergestellt und nach drei Werktagen gemeinsam mit einem Artikulator, in den sich Ober- und Unterkiefermodell einsetzen lassen, an das Labor geliefert (Abb. 4). Der Qualitätsunterschied zu dem auf Grundlage der konventionellen Abformung gefertigten Gipsmodell ist deutlich zu erkennen.
Konstruktion
Noch während der Herstellung des Modells im Fertigungszentrum wurde im Labor das dreidimensionale, virtuelle Modell in die CAD-Software DentalDesigner (3Shape, DK-Kopenhagen) innerhalb des CAD/CAM-Systems cara (Heraeus Kulzer, D-Hanau) importiert (Abb. 5 und 6). Dank offener Schnittstellen beider Systeme verlief der Datenimport problemlos. Es folgte die virtuelle Konstruktion der Kronen- und Brückengerüste: Hierzu wurde zunächst ein vollanatomischer Designvorschlag generiert (Abb. 7), der anschließend anatomisch reduziert wurde. Dieses Verfahren stellt sicher, dass eine optimale Unterstützung der Verblendkeramik durch das Gerüst erfolgt, sodass das Risiko von Chipping minimiert wird. Danach wurden die Verbinder zwischen den einzelnen Brückengliedern konstruiert, deren empfohlene Stärke für das Material Zirkoniumdioxid in der Software hinterlegt ist (Abb. 8). Anschließend wurden die Größe und Position der Gerüste leicht angepasst, die Oberflächen geglättet und die vorhandenen approximalen sowie okklusalen Abstände noch einmal überprüft, um sicherzugehen, dass genügend Platz für die Verblendkeramik vorhanden war. Kontrollieren lässt sich das Platzangebot beispielsweise durch transparentes Einblenden des vollanatomischen Designs sowie des Gegenkiefers. Abbildungen 9 und 10 zeigen die fertig konstruierten Gerüste mit beziehungsweise ohne das virtuelle Modell. z Abb. 10: …. und ohne das virtuelle Modell.
Fertigung und Verblendung
Anschließend können die Daten aufgrund der of- fenen Schnittstellen des Systems entweder an ein externes Fertigungszentrum oder an eine Fräsmaschine im eigenen Labor gesendet werden. Im vorliegenden Fall wurde das Produktionszentrum von Heraeus Kulzer in Hanau ausgewählt, um dort die Gerüste aus voreingefärbtem Zirkoniumdioxid (Farbe A-intensiv) fertigen zu lassen. Nach der Lieferung an das Labor wurden lediglich die Ränder leicht ausgedünnt, die generell nicht dünn auslaufend gefräst werden, um ein Ausbrechen des Materials zu verhindern. Bei der Überprüfung der Passung der Gerüste auf dem Modell wurde deutlich, dass eine weitere Nachbearbeitung x Abb. 7: Vollanatomischer Konstruktionsvorschlag. nicht erforderlich war (Abb. I 1). Die Restaurationen
wurden daraufhin mit der Schichtkeramik IPS e.max Ceram (Ivoclar Vivadent, FL-Schaan) verblendet. Die Abbildungen 12 und 13 zeigen das Ergebnis.
Schließlich wurden die Versorgungen erneut auf das Modell gesetzt, um die Passung sowie im Artikulator die Okklusionsverhältnisse zu überprüfen (Abb. 14 und 15).
Eingliederung
Da bei der Einprobe im Patientenmund keinerlei Probleme hinsichtlich der Passung vorlagen, wurden die Restaurationen direkt definitiv mit RelyX Unicem Selbstadhäsiver Composite-Befestigungszement (3M ESPE, D-Seefeld) eingegliedert. Bei Überprüfung der okklusalen Kontaktpunkte wurden keinerlei Störstellen festgestellt, die Patientin berichtete über ein angenehmes Kaugefühl (Abb. 16). Die Abbildungen 17 und 18 zeigen die Versorgungen direkt nach dem Einsetzen im Mund der Patientin. Diese war von dem ästhetisch ansprechenden Ergebnis, vor allem aber auch von der komfortablen Behandlung, begeistert.
Schlusswort
Die digitale Abdrucknahme stellt ein Verfahren dar, mit dem sich eine präzise Grundlage für die computergestützte Konstruktion und Herstellung von Zahnersatz schaffen lässt. In einigen Fällen ist die Technik der bewährten, konventionellen Vorgehensweise sogar überlegen — z. B. dann, wenn ein Patient durch einen stark ausgeprägten Würgereiz das Abformmaterial bereits vor dem Abbinden verformt. Durch die Möglichkeit, in einem solchen Fall einen digitalen Abdruck anfertigen zu können, bleibt nicht nur dem Patienten, sondern auch den Mitarbeitern im Labor viel Stress erspart, da sie eine verlässliche Arbeitsgrundlage erhalten. Dies ist einer der Gründe, weshalb es sich für ein zahntechnisches Labor lohnt, auf den Empfang digitaler Abdrücke vorbereitet zu sein. Dank der Öffnung von Schnittstellen reicht hierfür häufig eine Registrierung als Partnerlabor für die Nutzung einer Internetplattform aus. Investitionen in zahlreiche unterschiedliche CAD-Softwarelösungen, um die Daten aller verfügbaren Scanner empfangen zu können, sind hingegen kaum noch erforderlich.